Eine Niederlage für DIE LINKE in Mitte – zu den Ergebnissen der Europawahl

Ein bitterer Wahlabend für DIE LINKE: nur noch 5,5 Prozent bundesweit. Für die Demokratie zählte die auf 61,4 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung, für unsere Partei zahlte sich die leider nicht aus. Offenbar hatten deutlich mehr Menschen Interesse an dieser Europawahl als bei den bisherigen Wahlen. Dieses zusätzliche Interesse ging jedoch im Bund, wie in Berlin und nicht zuletzt in Berlin-Mitte vor allem an die Grünen. Das Thema Klima und Umwelt zog kräftig, erstmals nannten es die meisten Wählerinnen und Wähler in bundesweiten Umfragen als wahlentscheidendes Motiv.

Die Wahlbeteiligung stieg auch in Mitte deutlich: von 46 % vor fünf Jahren auf 60,8 Prozent. Dies bewegt sich im Mittelfeld der Berliner Bezirke, deren Spanne von 49,4 % in Marzahn-Hellersdorf bis 69 Prozent in Steglitz-Zehlendorf reicht.

Trotzdem mussten CDU (-4,6 auf 10,6 %), SPD (-9,6 auf 13,4 %) und auch DIE LINKE (-4,4 auf 12,6 %) im Vergleich zur Europawahl 2014 heftige Verluste bei den Stimmanteilen hinnehmen. Diese Stimmen gingen zu den Grünen (+9,4 auf 34,2 %), aber auch an kleine Parteien wie die Satirepartei DIE PARTEI um Martin Sonneborn (+3,7 auf 6,1%). Im Bezirk blieben wir von AfD-Erfolgen wie in Sachsen oder Brandenburg verschont. Die Rechtsaußen verbesserten sich auf relativ niedrigem Niveau (+0,5 auf 6,4%).

Wer sich die absoluten Stimmen für DIE LINKE ansieht, stellt fest, dass die Verluste geringer sind, als es die prozentualen Anteile nahe legen. Die gestiegene Wahlbeteiligung kam ausschließlich anderen Parteien zu Gute. Wer auf die regionale Verteilung in unserem Bezirk schaut, sieht vor allem Grün. Lediglich im Wahlbezirk 2D (Urnen- und Briefwahl) zwischen Karl-Marx-Allee, Singerstraße und Stralauer Allee wurde unsere Partei stärkste Kraft. Alle anderen Wahlbezirke in Mitte, Moabit und Wedding gingen an die Grünen. In den früheren LINKEN-Hochburgen, etwa in den Hochhauskiezen an der Leipziger Straße oder Alexanderplatz, konnten wir Platz 2 oder 3 behaupten. Dies gilt auch für die Gebiete in Wedding, Gesundbrunnen und Moabit, in denen wir zumeist recht weit hinter den Grünen mit SPD und CDU auf Augenhöhe einliefen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist schwierig abzuschätzen, was dieses Ergebnis auf lange Sicht für die politische Landschaft in Mitte bedeutet. Einiges spricht dafür, dass es sich um eine Momentaufnahme im Umfeld der Bewegung von Fridays For Future und dem Mehltau der Großen Koalition auf Bundesebene handelt. Andererseits dürfte der Klimawandel ein bestimmendes Thema der kommenden Jahre bleiben, wenn bereits jetzt die wissenschaftlichen Prognosen mit der Realität dieses Wandels kaum Schritt halten. Damit dürften auch Die Grünen auf Dauer eine wichtigere Rolle spielen, weil dieses Thema unabhängig von ihrer politischen Bilanz mit ihrer Partei verbunden wird. Auch der Abschwung der ehemaligen Volksparteien CDU und SPD ist sicher ein Trend, der die politische Szenerie weiter bestimmen wird.

Es ist keine gute Zeit für linkssozialistische Parteien. Sie haben fast in ganz Europa keine guten Ergebnisse eingefahren – auch nicht in Berlin und in unserem Bezirk. DIE LINKE, groß wie klein geschrieben, muss sich Gedanken über sich machen. Sind wir mit Analysen und Antworten auf der Höhe der Zeit? Welchen Erneuerungsbedarf haben wir bei Positionen, Mobilisierung und Kommunikation? Diese Wahlen sind sicher kein Grund, alles anders zu machen. Aber wir müssen sichtbarer und überzeugender werden.

 

Tobias Schulze