Grund zu feiern? Grund zu kämpfen!

Berlin hat einen weiteren Feiertag. 8. März – die beste Entscheidung von allen. 8. Mai wäre auch die beste Entscheidung von allen gewesen. So ist das manchmal im Leben. Im vergangenen Jahr haben wir gefeiert, dass Frauen sich 100 Jahre zuvor das Wahlrecht erkämpft hatten. 1918 Jahre nach Beginn der Zeitrechnung. Wir sind weit gekommen oder liegen – je nach Betrachtungsweise – noch immer beschämend zurück in Sachen Gleichberechtigung. Bis zum 18. März werden in diesem Jahr Frauen umsonst arbeiten müssen, legt man die Lohnlücke (den Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen zugrunde. Sie beträgt in Deutschland 21 Prozent. Das ist erbärmlich für ein hochentwickeltes Industrieland, das von den 28 Mitgliedern der Europäischen Union auf das höchste Pro-Kopf-Einkommen verweisen kann und zugleich am Ende rangiert, wenn es um Gleichstellung geht. 70 Prozent der Frauen in Deutschland sind berufstätig. 50 Prozent mehr Frauen als Männer sind von Armut bedroht. Wie das zusammengeht? Nun, wenn die Politik auf freiwillige Selbstverpflichtung statt gesetzliche Vorgaben setzt, den Niedriglohnsektor ausweitet, prekärer Beschäftigung keine Grenzen setzt, alleinerziehende Frauen im Regen stehen lässt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwar proklamiert, aber nicht ausreichend Voraussetzungen dafür schafft, indem zum Beispiel Länder und Kommunen dafür genügend Mittel aus dem Bundeshaushalt bekommen. Dann bleibt es bei 21 Prozent Lohnlücke und 50 Prozent höherem Armutsrisiko bei Frauen. Es bleibt dabei, wenn das Wahlrecht nicht endlich so geändert wird, dass dieser Bundestag nicht länger ein Männerladen ist. Es wird sich nicht ändern, wenn der überwältigend größte Teil der sogenannten Care-Arbeit (also unbezahlte Sorge, Pflege, Haushalts- und Erziehungsarbeit) von Frauen geleistet wird. Nur jeder dritte Mann leistet mehr als eine Stunde täglich unbezahlte Haus- und Familienarbeit. So ist es in Deutschland.

Für mich bleibt der 8. März deshalb ein Kampftag. Feiern können wir auch, denn wie gesagt, es ist viel erreicht worden. Aber ehrlich – ohne, dass Frauen dafür gekämpft hätten (vor mehr als 100 Jahren haben manche ihr Leben dafür lassen müssen, dass sie wählen gehen wollten), gäbe es die Erfolge nicht. Und ohne, dass wir auch künftig um Gleichstellung und Gleichberechtigung kämpfen, werden keine weiteren Erfolge dazukommen. Mit dem Feiertag 8. März hat die Berliner Politik das richtige Signal gesetzt. Ich bin wirklich stolz darauf.

 

Carola Bluhm

Vorsitzender der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus