Drinnen und draußen

Am Anfang der Zukunft zerbricht das Übliche. Berlin findet nicht mehr draußen statt, das Innenleben sichern Wohn-, Baugemeinschaft, Genossenschaft, Eigentum und Miete. Wer wohnt, bleibt. Zurückgefahren sind Homeschooling und Kinderbetreuung, Erwerbsarbeit als Dauermieter. Wieviel Raum erhält das Home Office, wenn für traditionelle Wohnfunktionen wie Kochen, Schlafen, Reproduzieren in Mietskaserne, Plattenbau, Reformhaus, Küche-Klo-Schlaf-Wohn-Kinderzimmer-Balkon der Platz kaum reicht? Die alte Mitte stößt an Grenzen. Einst wichen Proletarier auf Kneipen als erweiterte Wohnstube aus, heute gibts Coworking-Spaces, Co-Wohnen, Start-Ups, delivery food, lunch to-go, digitalisiert wie All- und Werktag, Kultur, Handel, Geselligkeit, Bildung. Wohnraum ist knapp, teuer, im Mai der neue Mietspiegel, aber permanent ändern Familienstand, Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildung, Gesundheit, Vorlieben, Geschmack und Zeitgeist Bedürfnisse und Kiez. Wie oft kollidieren Wohnen, Bauen, Straßenlicht, Pflastersteine, Spiel- und andere Plätze, Schulen, Straßenbänke, Ampeln, Fahrpläne, Kaffeehäuser, Grün, Einzelhandel und Mülleimer mit administrativem Stillstand, ideologischem Hochmut, politischem Ränkespiel und engem Verwaltungsblick? Wer profitiert von Ferienwohnungen, leerem Wohnraum, sittenwidrig teuren Living Spaces, Dreckhalden, architektonischer Ödnis, klotzigem Bundesbürobau, Nachnutzung, Dachgeschossen, Wohnküchen, Arbeitszimmern, Terrassen? Corona beschleunigt das Elektronikzeitalter. Schon jetzt könnte jeder Haushalt intelligenter wohnen, ich will noch kein Smart Living, keine Vernetzung von Licht, Herd, Kühlschrank, Waschmaschine, CDs, TV, Handy, aber einen Fahrstuhl im Altbau. Das ist politisch blockiert. Doch Mitte muss sich als Wohn-, Reproduktions-, Arbeits- und Regierungsort der Zukunft dem Druck der Smart City zügig stellen. Technisch mäßig interessiert, fußläufig, autounabhängig, werde ich derweil mit Freunden kochen und essen.

Irene Runge