Gegensätze und Widersprüche

Arbeitskräftemangel, Hitze, kaum Masken-Kontrollen in ÖPNV, Restaurants, Spätis, Super- und Straßenmärkten, die Gesetzlichkeit ist versandet, am Alex wird gegen Maskenpflicht und für Weltfrieden demonstriert, nachts lärmt die Party, nicht nur Mittes Bezirksbürgermeister ist sauer. Ja, Kontrollen wären besser als blindes Vertrauen. In Gaststätten werde ich fast nie nach Namen und Adresse gefragt, die Ackerhalle hat Hygienevorschriften nur für Kunden, die Security lässt Nasen frei, maskenlos schwitzend füllen „Mitarbeiter*innen für die Warenverräumung“ in engen Gängen Regale, auf Bürgersteigen wird geradelt, an Übergängen, Kreuzungen, vor manchen Shops eng gedrängelt, die Invalidenstraße behält die skandalöse Ampelschaltung. Zu Fuß Gehende kein Thema. Seit Monaten ist Corona-Alltag. Es heißt, Deutschlands Gemeinschaftsgefühl soll zugenommen haben, ich spüre eher Fremdeln, Wut, Frust, Respektlosigkeit und Hundehaufen, bin in der Hochalters-Risikogruppe, das heißt, ich werde das bevorstehende jüdische Neujahr 5781 kaum in der Synagoge begrüßen! Sozial distanziert gibts noch kein Kino für mich, aber Restaurants, ich koche für Familie und ausgesuchte Freunde, gehe um Häuser, fahre ungern Bahn und Bus. Jetzt gibts die autofreie Friedrichstraße, im Fernsehen viel Warnworte, Bilder des Entsetzens, Fallzahlen, Schuldfragen, Krokodilstränen. Wissen trennt, Straßenleben eint. Nach mediterranem Sommer wird Corona Regen, Melancholie, Novembergrau und Kälte auch überstehen. In Manhattan befürchten Freunde die zweite Welle, bieten Restaurants nur Streetfood, was

an Paris erinnere, in Kalifornien gilt teilweise Home Office bis Ende 21 und Schulunterricht ab Februar. Law-and-Order kennt Berlin nicht, dafür versteckte und direkte Gewalt, Brandsätze, zerschlagene Flaschen, Dreck, und einen Radfahrer, der an jede Autotür spuckt. Politisch wichtiger ist es, dass Sonnenschirme, Bänke, Stühle, Tische keinen Bürgersteig beengen. Ich nehme von Hauswänden Bücher, das Wasser sprudelt in Kinderplanschen, so lernt, genießt, gewöhnt es sich, das Vergessen wird dauern.

Irene Runge