Multitalent Lars Preisser zwischen Brüsseler Straße und Philadelphia

"Spinner und Weber" ist sozusagen die "Gute Stube" für das künstlerische Multitalent Lars Preisser. 2013  hatte der Zeichner, Textil- und  Medienkünstler zusammen mit Sebastian El-Rawas, einem kunst- und politikinteressierten Lehrer an der Brüder-Grimm-Grundschule,  aus einem heruntergekommenen Laden in der Brüsseler Straße 37 einen vielversprechenden nicht kommerziellen Projektraum als Atelier, Treffpunkt und Cafe' gemacht. Seitdem stellt er dort gelegentlich eigene Schöpfungen und die anderer Künstler vor. Darunter waren eine von ihm entworfene und gebaute surreale Webmaschine, die zuvor im Bauhaus Dessau gezeigt wurde. Themen anderer Ausstellungen waren zum Beispiel  "100 Jahre Oktoberrevolution", "90 Jahre Blutmai", "Erzgebirgisches Laseratomkraftwerk mit Pigmentfenster" oder auch szenische Lesungen über die Weddinger Seestraße. "Bei uns können Dinge ausprobiert und diskutiert werden, hier treffen  Profis, Laien und sogar Banausen aufeinander", hebt Lars Preisser hervor. "Wir haben eher ein Publikum, das man in der Kneipe nebenan antrifft, als jenes, was üblicherweise auf Vernissagen herumlungert". 

Andere Arbeiten von Lars Preisser wie ein im Raum schwebender Teppich,  mit Baumwolle und Audiokabeln gewebt, die den Klang des Webstuhls durch das Textil transportieren, oder das 16-mm-Filmprojekt "Zeit der letzten Brachen" über das Verschwinden von Berliner Brachflächen gab es bisher in Galerien und im öffentlichen Raum zu bestaunen.   

In Lindau am Bodensee in der Familie einer zeichnerisch begabten Hausfrau und eines Dichters geboren, wuchs Lars mit seinen drei Geschwistern in Kreuzberg auf. Nach dem Abitur zog er nach Neuseeland, wo er mehrere Jahre lebte und Kunst an der Otago Polytechnic School of Art studierte. Zurück in Europa, ging er an die Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo er das Medienkunststudium mit Diplom abschloss.   Mit Stipendien, Praktika und in Workshops für Film, Animation, Drucktechniken, Zeichnung  und Weberei in Philadelphia, Amsterdam und Kyoto entwickelte sich der 36-jährige zum Allroundkünstler.

"Etwas naiv vertraute ich anfangs darauf, entdeckt zu werden, anstatt das selbst in die Hand zu nehmen", gesteht Lars Preisser. "Meine Partnerin und Künstlerkollegin Beatrice Schuett Moumdjian motivierte mich immer wieder, mich mehr bei Ausschreibungen zu bewerben". Erfolgreich war er jüngst mit seiner Bewerbung mit einem Projekt bei der berlinweiten  Initiative "Draussenstadt", die die Senatsverwaltung für Kultur und Europa mit insgesamt sieben Millionen Euro fördert. "Das hilft natürlich schon die Corona-Krise auch finanziell zu überstehen". Und wenn das Virus es zulässt, fliegt der Künstler im Sommer nach dem nordamerikanischen Delaware, um im dortigen Winterthur Museum ein Langzeitprojekt zum Thema "Kugelsichere Textilien" zu vollenden. Viel Erfolg!                                                                           

Matthias Herold