Alles fürs Volk?

mittendrin

Kinder spielen mit iPhone, iPad, Laptop, E-Book, Android Handy und so weiter, schaffen sich technisch versiert ihre mir fernstehende Nähe. Noch vor kurzem meinte ich hochnäsig, derlei kommunikative Plattform wäre überflüssig und ein Kaffeehaustisch in Mitte kein digitaler Spielplatz. Dann bekam ich meinen eigenen Zugang. Auch Facebook schien jedoch verloren, weil ich den Zettel mit Kenn- und Passworten, Fangfragen nach Spitznamen, Haustier und Zahlen verschmiss. Der Zettel tauchte wieder auf, Bahnreisen, Juvalis, Amazon, Bundestagpetitionen, Flüge, Sparkasse, Handy und mehr wieder erreichbar, doch iPad war bei Apple auf null zurückgesetzt worden. Die Re-Installation, tröstete der schmucke Mitarbeiter, ließe sich durch mich in 24 Stunden telefonisch erledigen. Und siehe da, eine muntere Telefonstimme klärte kostenfrei und überaus geduldig alles auf, auch die Wolke iCloud, in der alles, sogar meine Fotos, auf immer bewahrt seien. Ich fragte nicht, ob gut oder schlecht für die Menschheit, denn die Stimme leitete mich behutsam über alle Klippen. Das Gelöschte wurde sichtbar, mein Kummer verflog, es blieb beim Staunen über den virtuellen Spaziergang. Jetzt nehme ich Kinder, junge Männer und Frauen anders wahr, die gehend, sitzend oder stehend drücken, schieben, klicken, starren, lauschen und reden, die Augen konzentriert auf Samsungs, Apples oder Sonys gerichtet, manchmal den Pappbecher mit duftender Kaffeemischung in der anderen Hand. Ein wenig packt mich der Neid, freihändig spaziere ich trotzig und unbeachtet an ihnen vorbei, drehe den Kopf in alle Richtungen, sehe in Schaufenster und an den Häusern hinauf bis hoch in die Wolken des Himmels. Das Altern fordert mich nicht nur biologisch und chronologisch heraus, sondern auch kulturell.

Ohne Mühe amüsierte mich daher mehrmals das Foto in der Großen Hamburger Straße, das eine ganze Schaufensterscheibe bedeckt. Da spaziert forsch das weiland mächtige Politbüro mit dem FDJ-Oberhaupt in den Staatsratssaal, an der Tür des Ladens zudem die Losung "Alles für das Volk", erweitert durch ein "Endlich!" Ein Moment der Zeitgeschichte spiegelt im Jahr 2014 noch das vis-a-vis Portal und Fenster vom Hedwigskrankenhaus. Wie und ob der Laden alsbald dem Werbeeinfall folgen wird, bleibt nun abzuwarten. Ein Kaufkraftüberhang ist nicht zu befürchten. Dem Volke historisch konkret zu entsprechen wäre die passende Lehre aus der Geschichte.