Berlin wird nie ein Manhattan sein

In New York City leben 11 Millionen Menschen, in Berlin rund 3,5. Manhattan ist von Wasser umgrenzt, Berlin dehnt sich. Manhattan baut (time is money) seine Wolkenkratzer auf Granit. Berlin hat Zeit und stockt demnächst flache Supermärkte auf. Seit der Erfindung des Fahrstuhls wuchs Manhattan in den Himmel, hat sich Berlins klassische Traufhöhe auf 22 Meter eingependelt. Manhattan reagiert radikal auf Kriminalität, Dreck, Müll, Lärm und drohenden Verkehrskollaps. Für Millionen Fußgänger, Fahrrad-, Bus-, Bahn- und Autofahrer ist sozialer Druck eine Bürgerpflicht. Es wird viel gefegt, wenig geraucht, Ampeln und Einbahnstraßen ordnen den Verkehr. Zeit spart, wer von der Upper Eastside mit der öffentlichen Fähre zur Wallstreet fährt. Die Armut ist hinter die Ränder verdrängt. Berlin will es besser machen. Dort sagen die vielen freundlichen Polizisten einem sogar, wann Museen öffnen. Hier sind sie selten präsent. In Manhattan fühle ich mich sicherer als in Berlin. Immer mehr solcher Nachbarschaftsgärten laden auf gewesene Stadtbrachen auch nach Harlem ein. Wir haben die Prinzessinnengärten. Das dortige Bio-Gemüse geht an Schulen. Nirgends sehe ich Berliner Vandalismus. Überall agieren Volunteers, Ehrenamtliche und machen ihre Stadt liebenswerter. Soweit ist Berlin noch nicht. Manhattan wurde brutal gentrifiziert. Heißt, die arbeitende Bevölkerung wohnt weit draußen, angewiesen auf die stotternde Subway, nicht auf Privatautos. Parken ist teuer, Straßen verstopft. Dort sehen sich Fremde nicht in die Augen, doch sie tauschen Komplimente und lachen gern, gelegentlich auch über Trump. Heimfahrende sehen ausgelaugter aus als in Berlin.

Mitten in Manhattan gibt es die High Line, eine blühende Oase, hoch oben, auf stillgelegter Bahntrasse entlang exzentrischer Neubauten zwischen Meatmarket und den nördlicher entstehenden Hudson Yards. Eine schon sichtbare Besuchertreppe lässt staunen. Ungebremst giert dort das Kapital. Wer baut, muss öffentliche Freiflächen schaffen. Daher das viele Grün, Parks zwischen und in Häusern, Bänke, Stühle, Spiel- und Sportanlagen …  Unvergessen der Terror 9/11! Wo Türme standen, mahnen würdig das im Untergrund versenkte Museum und zwei große Wasserbecken, an deren Rand die Namen der Toten stehen. Nur ein kleiner Baum hatte überlebt. Neu die expressiven Hochhäuser fürs Arbeiten, auch Wohnen, und Hotels. Der Bahnhof, von außen weißes Gürteltier, ist von innen ein Knotenpunkt mit Kunst, Nischen, Restaurants, Shops. Der Rest der Insel scheint mir weitgehend unverändert. Was aber genauso trügt wie das Glitzerbild eines Berlins, das so viele New Yorker begeistert. 

Irene Runge