Berlins erster Fahrradkrieg oder: Wem gehört der Bürgersteig?

Manche nennen es Radfahr-, andere Mobilitätsgesetz, Autofahrer empören sich. Wir Fußgänger werden erwähnt, müssten aber eigentlich vor Auto und Rad geschützt werden! Nicht nur am unter- und überirdisch gut vernetzten Potsdamer Platz, wo Fahrräder zwischen Bushaltestelle und Wartenden fahren, auch am Weinbergsweg/Brunnenstraße, wo dem Rad gar ein Stück Gehweg zugebilligt wird und anderswo. Sie klingeln, rasen, passen in keine volle Straßenbahn, versuchen es trotzdem. Dank Sicherheitsdienst bleibt der Innenraum des Sony Center fahrradfrei, ansonsten scheint in der Mitte Berlins der erste Fahrradkrieg zu toben. Wachsender Profit lockt private Anbieter, schleichend wird öffentlicher Raum ökonomisiert. Ob lokal, global, regional, sie konkurrieren giftgrün, knallgelb, orange, blau, grau, schwarz, weiß, gemustert. Gelbe Räder sollen leicht zu knacken sein, Apps loggen ein, Kreditkarten zahlen, damit sind LIME-e, ofo, call-a-bike, DONKEY REPUBLIC, mobike, DEEZER next bike, Lidl go-green, Berlin-on-Bike zu besteigen. Tret- und E-Räder bieten auch Bahn, Fahrradläden, Hostels, Hotels und Spätis. Segway prüft das eigene Alter, Leih-Scooter erfordern Führerscheine. Doch meist steht, lehnt, liegt, fällt und verstellt der wachsende Fuhrpark längs und quer Bürgersteige, Wände, Laternen, Tische vor Cafés. Nicht zu vergessen eigene, verrostete, vergessene, Leih- und private Lasten-Räder, rad-fahrende Lieferanten, bald auch Räderkarren für autofreie Paketdienste. Straßentaugliche Roboter werden folgen. Nicht nur für Lustgarten, Alex, Hackescher Markt, Hackesche Höfe, Heckmann Höfe, Rosenthaler Platz und Bürgersteige der Haupt- und Nebenstraßen gilt: Es lässt sich auch ohne Licht, Helm und StVO mit dem Rad rasend, gemächlich plaudernd, mit Handy, in-ear und anderen Kopfhörern, allein, paarweise, mit Kind, als Gruppe fortbewegen. Spielende Kinder, redende Nachbarn, gealterte, behinderte oder Fußgänger wie ich? Egal wie beengt, das Rad kommt durch. Auto weg, Fahrrad her? Das Lehrstück zeigt, wie eine gute Idee, schlecht gemanagt, zur allgemeinen Plage wird, wenn politische Taktik planerische Weitsicht verhindert.

Letztens kniete am lichten Alexanderplatz ein schmächtiger junger Dieb. Er leerte vor fünf kräftigen Polizisten und drei älteren Damen den Rucksack. Am Tiergarten sah ich zwei Uniformierte hoch zu Pferd. Bilder wie aus uralten Zeiten. 

Irene Runge