Die Große Koalition macht keine großen Schritte

mittendrin

Zwei Defizite werden bei genauerer Analyse des Koalitionsvertrages und der Ressortverteilung der neuen Regierung schnell deutlich: die Frage der sozialen Gerechtigkeit und ein Mangel an zukunftsfähiger Politik zugunsten der jungen Generation. Beide Themen hängen häufig sogar eng miteinander zusammen.

Beispiel 1: In der Bildung bleibt alles beim alten. Die unterfinanzierten Länder, ächzend unter dem Diktat der großkoalitionären Schuldenbremse, bleiben mit den Problemen alleine. Das Kooperationsverbot von Bund und Ländern soll unangetastet bleiben. Mehr Chancengerechtigkeit, mehr Ganztagsschulen oder auch die Finanzierung einer besseren Lehrerbildung unter Mithilfe des Bundes wird es nicht geben. 

Beispiel 2: Ihr Wahlkampfmotto von mehr Steuergerechtigkeit hat die SPD in den Koalitionsverhandlungen schnell ad acta gelegt. Die dramatische Umverteilung von unten nach oben wird weitergehen – trotz eines homöopathischen Mindestlohns und trotz der aus den Sozialkassen finanzierten Rentenleistungen. Große Vermögen werden weiter unbehelligt von Abgaben schnell wachsen. 80 Prozent der Bevölkerung zahlen über Einkommens- und Mehrwertsteuer sowie steigende Sozialabgaben die Zeche. Zugleich beraubt sich der Staat der eigenen finanziellen Handlungsfähigkeit, die er bestenfalls über neue Schulden notfinanzieren kann. Kein Wunder, dass Angela Merkel nicht etwa die Gestaltung des Landes, sondern das Sparen im Haushalt als Oberziel für die Legislaturperiode ausgegeben hat.

Beispiel 3: Die Zwei-Klassen-Medizin wird nicht angetastet. Kein Wort verliert die SPD mehr zur Bürgerversicherung. Freuen dürfen sich hingegen die Arbeitgeber, die von der Finanzierung der Kosten im Gesundheitswesen verschont bleiben und die private Versicherungswirtschaft. Die Versicherten zahlen über Zusatzbeiträge alle steigenden Kosten im Gesundheitswesen allein. Damit steigt auch der Anreiz für Besserverdienende, sich in die private Krankenversicherung zu flüchten. Der Druck auf Leistungskürzungen steigt.

 Fazit: Diese Koalition ist eine der Hasenfüße. Die Beseitigung kleinerer Ungerechtigkeiten etwa bei den Renten für Mütter darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Union und SPD jeglichen Mut für das Schließen der Gerechtigkeitsschere in diesem Land vermissen lassen. Von der Union war nichts anderes zu erwarten. Von der SPD schon. Ihr sollten wir nicht mangelndes Verhandlungsgeschick oder fehlendes Rückgrat vorwerfen, denn sie hat angesichts ihres eher mauen Wahlergebnisses sogar einiges herausgeholt. Das Verheerende ist, dass sie einen echten Politikwechsel mit Grünen und LINKEN nicht mal ernsthaft sondiert und sich stattdessen sehenden Auges in den Mehltau dieser Koalition begeben hat.  

Tobias Schulze