Es blättert der Herbst

Ein Quäntchen Sonne, und schon strecken sich die Fußgänger gen Himmel. Ein schwarzes Gewölk, und schon ist das lichte Blau wieder verdeckt. Es tröpfelt. Der Herbst ist da, spiegelt sich auch in der gelbgoldenen Klinkerfassade des alten Postfuhramts. Entlang der gewesenen Artillerie-, heute Tucholskystraße, als zweiflüglige Rundumecks-Bebauung auch in der Oranienburger Straße, wurde es nach nur sechs Baujahren 1881 eröffnet. Die Frührenaissance zitieren Gesimse, der Turm  und die Kuppeln betonen die Bedeutung, es gibt roten Fenster- und Türschmuck und 26 Porträtköpfe zwischen den Fensterbögen. Auch ein Kinderornament zur Straße hin, und das Terrakotta-Relief mit Postkutsche als Zeichen der kaiserlichen Reichspost. 250 Postpferde waren hier auf zwei der drei Etagen untergebracht.

Seit 2012 heißt der Besitzer Biotronik, Privatunternehmen für Medizintechnik. Man wird hier forschen, verwalten, bauen oder repräsentieren. Aber jetzt säubern und ergänzen sie zunächst mit Gespür und Finanzkraft diese alte Pracht. Ich habe mir zwischen zwei Regengüssen Hof und Rückseite angesehen. Junge Bäume wurden in den sandfarbenen Boden gepflanzt, an historischen Fenstern der südlichen Innenfront wird gearbeitet. Der Mann mit dem Helm sagte, innen wäre noch sehr viel zu tun, doch von Hof und Straße würde ein Restaurant zugängig sein.

Herbst ist's, Eisläden pausieren, im Monbijoupark werden Kastanien gekickt. Auch an der Ecke Große Hamburger Straße wird gebaut. Der provisorische Parkplatz ist passé. Begrenzt von der Oranienburger entsteht ein Boarding-Haus mit möblierten Apartments. Bald ist das Fundament gegossen, dicke Brummer fahren Zutaten an und Altlasten ab, genauso in der Ackerstraße, wo zwei schmale Hinterhofneubauten in Arbeit sind. Hier stehen Kinder staunend neben dem Mann, der mit dem kleinen Finger, den Hebel vor seinem Bauch, einen riesigen Kranarm weit über 40 Meter lenkt, dehnt und schwenkt, damit der Betonkübel über Dächer hinweg die Hinterhof-Baugrube erreicht.  

Sommer und Wahlen sind nun endgültig vorbei. Im Winde flattern erste bunte Blätter und bemalte Gesichter der parteilich werbenden Kandidatenschaft. Am Ende ist alles Müll. Ich frage mich, wer die Riesenposter, Plakate und  Handzettel gebraucht hat. Der Sinn des Laubs erklärt sich ganz von selbst.