Es wird anders

Berlin bekommt Hochhaus-Leitlinien. Mitte wird höher, enger, wärmer, trockener, voller ist es schon, die Restaurants sind da, die James Simon Galerie bietet auf der Terrasse Kaffee mit Stadtblick, am Weinbergsweg gibts Ben & Jerry’s… Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Heute erstickt’s im Müll. Berlin ist cool, plant fehlende Wohnungen fürs Klima der Zukunft, niedere Hochhäuser, aber nicht auf Granit wie Manhattan. Unser Himmel bleibt unberührt. Aber die Erd- und Dachgeschosse der höheren Bauten werden allgemein zugänglich, wie dort bei den Skyscrapern, die per Gesetz für saubere, sichere, grüne, blumige, schlichte, elegante, bis in den Abend zugängliche Plätze, Durchgänge, Miniparks, innen oder außen, unten oder oben, sorgen müssen. Überall Stühle, Coffee-to-go, Tische, WiFi, Imbissecken, Kunst, Nischen, Shops, Skulpturen, Wasserfälle, Life-Musik - das dürfte auch Berlins eiligen Stadtmenschen gefallen. Ich werde gern dort verweilen, entspannen, Zeitung lesen, essen, freundlich, nervös, gleichgültig, neugierig, grimmig, laut oder leise flüstern, reden, gemeinsam oder allein kommen. Wo sind solche interessierten Menschenmassen mitten in Berlin, die Männer, Frauen, Alte wie Kinder, Flaneure, Büroangestellte, Anwohner, Studenten, Touristen jeder Herkunft? Die neue Zeit fordert heraus. Nicht nur bislang verschmähte Hoch-Bauten, sondern auch altmodisches Trottoir, am Alex neue Sichtachsen, für die Alexanderstraße neue Architektur mit Kunst, Kultur, Gastronomie, Konsum, Wohnen und Arbeiten. Respekt ist angesagt. In den umgebungsarmen Punkt-Hochhäusern und Schlafstädten des späten 20. Jahrhunderts wird darauf nicht vorbereitet.

Stadt ist Lernen. Gerade war ich in Moabit. Andere Schaufenster, der Kleine Tiergarten gepflegt, vor türkischen Frühstücksstuben lässt sich plaudern, die Arminius-Halle ist halbleer, anheimelnd die Straßenblumen, Bäume, Schatten, Altbauten, lauschigen Ecken. Abzweigend von der Turmstraße standen Stühle auf dem Bürgersteig, tranken Anwohnende öffentlich Tee, lasen, rauchten, schwatzten. Eine städtische Idylle! Altmitte tickt anders, aber auch so, die Tram fährt noch nicht zur Turmstraße, erstaunlich ist, dass 15 000 Berliner Mietfahrräder, 2 500 E-Roller Scooter und Mietautos hier kaum in Erscheinung treten. Die stehen, liegen, fahren einige Kilometer weiter herum, an der Torstraße und so. Auch E-Roller im Doppel, zu dritt, einbeinig, rittlings sitzend begünstigen Berlins planlose Verkehrswende.