„ExRotaprint“ im Wedding: Gemeinnützigkeit vor Profit

Inmitten von Arbeitslosigkeit, Migration und Armut sticht im Wedding der ehemalige Industriestandort „ExRotaprint“ mit seiner durch die heutigen Nutzer selbst getragenen Entwicklung hervor.

Wer in der Gottschedstraße 34 im Wedding die Architektur der ehemaligen Rotaprint-Gebäude sieht, wird vielleicht nicht vermuten, dass es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft für Kunstprojekte, soziale Einrichtungen und Gewerbebetriebe handelt. Aber genau diese Kombination aus Kunst, Sozialprojekten und Gewerbe haben 2004 bildende Künstler als neue Standortnutzung erarbeitet. Sowohl Kleingewerbe, das noch immer typisch ist für den Ortsteil, als auch Musiker, Fotografen, Filmer und auch berufspädagogische und andere Sozialprojekte sind einbezogen.

Der Druckmaschinenhersteller Rotaprint war trotz verschiedener Rettungsversuche und Senatsbürgschaften 1989 in Konkurs gegangen.  Das ermöglichte dem Liegenschaftsfonds Berlin später, das Vermögen aufzuteilen und die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Allerdings gab es für das ehemalige Produktionsgelände 18 Jahre lang keine Perspektive. Erst 2007 gelang es, sich mithilfe von zwei Stiftungen gegen die Spekulation mit Grund und Boden zu richten und das Grundstück nach langen Auseinandersetzungen und mit Unterstützung durch Presse und einzelne Politiker zu kaufen. Mit den Stiftungen hat die ExRotaprint gGmbH einen 99-jährigen Erbbaupachtvertrag geschlossen. Statt sich für den Grundstückskauf zu verschulden, können die Mieteinnahmen und Kredite nun für die dringend benötigte, behutsame Gebäudesanierung verwendet werden.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen einer sich teilweise bereits heißlaufenden Immobilienspekulation im Bezirk Mitte verdient eine Unterbrechung der Spekulationsspirale durch gemeinnützige Projekte auch sozialökonomische Beachtung.  „Die Gentrifizierung droht dem Gebiet rund um die Reinickendorfer Straße zwar nicht im gleichen Maße wie der historischen Innenstadt, aber man kann schon von der obersten Etage des Fabrikgebäudes sehen, dass Luxus-Dachgeschosse entstanden sind“, sagt Daniela Brahm, eine der bildenden Künstlerinnen, die das Projekt erarbeitet haben.

Rainer Scholz