Geklaute Tüten, Poké Bowls und Kaffeeklatsch

In Frankfurt/Main soll es 311, in Prag 3822, in Berlin 1254 Hotels geben. In Berlin-Mitte sollen Adam, Ali und Amir die beliebtesten Baby-Namen sein. Und der Frühling soll uns nicht um die Illusion von mediterranem Flair bringen. Gastronomische Verluste des Winters sind die Italiener Tucholskystraße und Neue Promenade. Ob Yummi-Asiaten mit Crossover und Streetfood Gewinner sind, wird sich zeigen. Nie mehr „Häagen Dazs“! Am Hackeschen Markt entsteht „Starbucks“, in Rosenthaler Straße und Ackerhalle schon vergessen. In den Hackeschen Höfen entstand die Zweitstelle der Kaffee-Rösterei Ackerstraße, feinen Kaffee gestalten auch The Barn, Café Reichert, Ben Rahim, Mittendrin, Barcomi’s und Eisenbergs, in der Sophienstraße wird die ehemalige Bäckerei Balzer bald ein Brot- und Kuchenverkauf mit Café sein. It’s time for Kaffeeklatsch! Das „Einstein“ kommt, wo „Funk You - Natural Food“ und „Woop Woop Ice Cream Store“ schon sind - in die Rosenthaler Straße. Am Weinbergsweg gibts regionales Craft Beer. In der Ackerhalle lockt wie in der Oranienburger Straßen „Poké Bay – Pacific Cuisine“ mit pazifischer Kost in Schüsseln. Und an der verampelten Kreuzung Invaliden/Brunnenstraße soll das eingerüstete Warenhaus am Weinberg, 1904 als Jandorf eröffnet, 1927 vom Konzern Hermann Tietz gekauft, mir als DDR-Modeinstitut vertraut, die Heimat eines Autokonzerns werden. Gegenüber werkeln sie gemächlich am Eckneubau. Ja. Berlins alte Mitte hat viele Baustellen. Sogar am mysteriösen Leerstand Torstraße 146 und Linienstraße 86 bewegt sich was. Dank Senatsspritze soll auch der Verfall Auguststraße gestoppt werden - zugunsten einer Jüdischen Sekundarschule. Und am Koppenplatz 5 hat die Galerie Wagner&Partner eröffnet.

Kunst, Kinder, essen, trinken, schlecken, romantische Wasser- und Grünblicke, Höfe, Bars, Schuh-, Brillen- und Frisörgeschäfte, Dreckecken, Parfümerien, Kinos, Theater, Kabarett, Musikanten, Antiquariate und Designerklamotten - alles ist vorhanden. Was fehlt sind WTB, Waren des täglichen Bedarfs. Die nette Verkäuferin sagt, beim Obst im Straßenverkauf könne sie keine Tüten auslegen, denn hiesige Hundebesitzer klauten ungeniert. So geht´s eben zu im teils gentrifizierten falschen Scheunenviertel, wie die Spandauer Vorstadt auch genannt wird, ein Kiez, wo nicht nur Touristen spazieren, sondern Menschen arbeiten und sich mindestens 6500 Bewohner sehr zu Hause fühlen.

Irene Runge