Gibt’s gute Nachrichten?

Die Frühlingssonne hilft mental, mahnt gleichzeitig, gesellige Wünsche zu vergessen. Dank gebührt Heldinnen und Helden der alltäglichen Arbeit. Wir, der Rest, ziehen uns zurück. Vor zwei Wochen Konzerthaus, „Augustiner Bräu“, Känguru-Film, Hackescher Markt, kochen mit Freunden, essen im „Stadtsalat“, vormals Buchladen von „Verlag der Nation“, nebenan Kunstgewerbe, wo heute „Joseph“ serviert? Einst öffneten da die Türen zum Torweg, nun zur Friedrichstraße, die Straßenbahn blieb, nach 89 kam die U-Bahn zurück, jetzt ein Hotel „Amo“, wo NDPD-Verlag und Block-Partei amtierten. Im Hof ein Glaspavillon mit Fahrstuhl zur Kellerrezeption. Überglasen durften die Investoren den Hof nicht.

Irgendwann wird auch in Mittes sechs Restaurants der Amano-Group-Hotels wieder israelisch gegessen, mit Dachterrassen, Sonnenschirmen, offenen Küchen. Nach Corona auch Ecke Alte Schönhauser/Weinmeisterstraße, wo andere Köche dann israelisch-arabisch kochen. Vor meinem Fenster wird nicht mehr Basketball gespielt.

Das Unvorstellbare da. Ich telefoniere, maile, simse, kaufe ein, sinniere, es gibt Zeitungen, nie gelesene Bücher, Netflix, Nachrichten aller Art, und Social Media! Wir schicken einander, was wir gekocht, gebacken, auf den Straßen und im Netz gesehen haben. Besucher reden vom Bürgersteig zu offenen Fenstern, es wird Hilfe annonciert, öffentlich herrscht Distanz, aber Wildfremde lächeln sich zu.

Vielleicht verzichtet der Bezirk, im Monbijou-Park das Dach des Betonbunkers zu begrünen, Märchenhütten abzureißen, Autos sechs Monate aus dem weniger befahrenen unbewohnten Teil der Friedrichstraße auszusperren. Vielleicht wird bedacht, dass vor Corona Kind und Greis die Torstraße kaum queren konnten, der Bus zu selten fuhr, auch jetzt verbindet am Rosenthaler Platz der ausgedünnte ÖPNV. Lebensmittel gibt´s, niemand Maulaffen feil, Auto- und Radfahrende verkehren verhaltsamer.

Brechen alle zehn Jahre alle Lebensweisen um? 9. November 1989, 11. September 2001, Finanzkrise, Corona… Leere Regale gab´s auch früher, da waren West-Schoko-Osterhasen Bückware, machte Mangel erfinderisch, dafür gibts Telefon mit Blickkontakt, werden Regale gefüllt, doch die Angst ist real. Für mich dominieren virtuell freundliche Menschen, hilfsbereite Nachbarn, verloren geglaubte Kontakte, Familien, Freunde, Freundinnen, alte und neue Bekannte, nächste Woche legt ein Freund uns Kreuzberger Lammrücken vor die Tür. Wenn´s noch geht. „Nach dem Krieg im Kelch“, sagte der brave Soldat Schwejk, und man wusste, was das heißt. 

Irene Runge