Grünlose Grünanlagen

Verdreckte Plätze, mageres Zufallsgrün, beschmierte Bänke - das sind dringend zu bewahrende Grünanlagen, sobald nach Jahrzehnten der Vernachlässigung Änderungen anstehen. Bescheiden für unsere Zeiten gibt sich der Protest am Rosa-Luxemburg-Platz, vis-a-vis gleichnamiger U-Bahnstation, doch bis heute fehlt hier der eigentliche Stadtplatz.

Die Protestschilder und Luftballons an Bäumen nehmen weder das aufs Korn, noch die vergammelte Lücke, sondern die nicht bekanntgemachten Bebauungsabsichten.  Wo einst gewohnt wurde, Kriegsfolgen und Abriss traurige Lücken rissen, nach der Wende Wurstbuden und Bierausschank siedelten, das vernachlässigte Areal eher Pissoir denn Grünanlage war, soll etwas Neues entstehen. Auf Deutsch und Englisch ist zu lesen, dass Publisher Suhrkamp-Verlag, der seit 1950 die Bundesrepublik und jetzt das ganze Deutschland mit guter Literatur versorgt, zwischen Tor- und Linienstraße bauen wolle. Aber was? Ein Verlagshaus? Das alte zu klein, zu groß, Mietvertrag nicht verlängert, Mietzins unsittlich erhöht? Wer weiß, wie es mit dem Buchhandel weitergeht. Vielleicht soll die Immobilie die Zukunft sichern? Noch sitzen sie aber im Prenzlauer Berg, in der vorbildlich rekonstruierten Pappelallee 78, wo früher mein Finanzamt war.

 

Wenn die Plakate unter den bunten Luftballons recht haben, verschwindet bald jener Platz, den ich im Sommer wegen der Alkoholiker, im Winter wegen der Glätte, im Herbst und Frühling wegen nasser Blätter und Matsch meide, auch wenn dessen Überquerung mir den Weg zu Volksbühne, Babylon und Karl-Liebknecht-Haus um mindestens 1 Minute verkürzen würde. Das lohnt nicht, weil genauso öde wie der gewesene Volksbühnenparkplatz, jetzt metallen eingefasst, die grünlose Freizeitanlage geworden ist, in der Menschen eher selten weilen. Nichts ist hier freundlich. Auch nicht die Sprüche von Rosa Luxemburg, die quer den Strassenboden zieren, aber zu klein, zu dunkel sind, um bei schlechtem Wetter und in der Nacht erkannt zu werden. An dieser Ecke wechselt die Gastronomie des öfteren. Das Lokal im neuen, sperrigen, dunklen Haus scheint aber gut besucht, der edle Restaurantimbiss im Apartmenthaus nebenan noch nicht.

Vielleicht entscheidet sich Suhrkamp an seiner Ecke für ein ebenerdiges Literaturcafè und für Wohnungen in oberen Etagen? Kein Frust, sondern Lust packt mich bei diesem Gedanken, aber wer weiß, ob sie hier überhaupt bauen.

 

Irene Runge