Kämpfen für eine gesellschaftliche Alternative

Die Bundestagswahl hat die politische Tektonik der Bundesrepublik tief erschüttert: Dramatische Stimmenverluste für die bisherigen Regierungsparteien CDU und SPD, das schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokratie seit Gründung der Bundesrepublik und der Einzug der rechtspopulistischen AfD als drittstärkste Partei haben die politische Achse deutlich nach rechts verschoben. Deutschland erlebt eine bisher unbekannte politische Instabilität: Das Scheitern der „Jamaika“-Verhandlungen und die Zerrissenheit der SPD über eine Neuauflage einer GroKo stehen für die Schwierigkeiten der traditionellen Parteien, eine Regierung zu bilden. Und ob es tatsächlich zu einer neuen GroKo kommt, ist noch ungewiss. Hatten in der Vergangenheit SPD, LINKE und Grüne noch eine rechnerische Mehrheit im Bundestag, erreichen die drei Parteien gegenwärtig zusammen nur noch 38,6 Prozent. Das illustriert einmal mehr die Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse.

Sollte eine neue GroKo zustande kommen, steht sie für ein „Weiter so“. Die Sondierungsergebnisse zwischen Union und SPD bedeuten im Wesentlichen eine Fortsetzung der bisherigen Politik. Daran ändern auch leichte Korrekturen wie z.B. die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung nichts. Statt wirkungsvoller Maßnahmen gegen die wachsende Ungleichheit und prekäre Beschäftigung wird der Soli abgeschmolzen und unsichere Midi-Jobs begünstigt. Die CSU setzte ihre Obergrenze für Flüchtlinge durch. Die Klimaschutzziele für 2020 wurden aufgegeben und die deutsche Rüstungsindustrie darf weiter munter in Krisengebiete exportieren.

Der LINKEN muss als konsequente Stimme für soziale Gerechtigkeit und Frieden die Opposition gegen das „Weiter so“ organisieren:  gegen wachsende Ungleichheit und Armut, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, für öffentliche Investitionen in die soziale Infrastruktur, bezahlbare Wohnungen und Klimaschutz. Und nicht zuletzt gegen eine Flüchtlingspolitik, die auf Abschottung setzt und ein massenhaftes Sterben im Mittelmeer in Kauf nimmt.

Wir können mit Selbstvertrauen in diese Auseinandersetzung gehen. Wir haben das zweitbeste Wahlergebnis unserer Parteigeschichte erzielt. 2017 sind 8500 neue Mitglieder in DIE LINKE eingetreten, allein in Berlin über 1000. Und wir sind nicht allein: wir kämpfen gemeinsam mit Mieterinterinitiativen gegen Spekulation und Mietwucher, mit den Beschäftigten der Krankenhäuser für 100.000 zusätzliche Pflegekräfte, unterstützen die gewerkschaftlichen Kämpfe für eine bessere Bezahlung, gegen Arbeitsplatzabbau wie bei Siemens und für eine neue Arbeitszeitpolitik. Und wir machen deutlich, dass nicht Flüchtlinge die Ursache für gesellschaftliche Missstände wie Wohnungsnot sind, sondern diejenigen, die Wohnungen zum Spekulationsobjekt gemacht haben. DIE LINKE als Partei in Bewegung zu entwickeln, die aktiv in gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Kämpfe eingreift und deutlich macht, dass eine andere Politik möglich ist – das ist unsere Aufgabe.

Harald Wolf

Kommissarischer Bundesgeschäftsführer