„Linie 1“ an der U9: das Gripstheater

 

Ganz im Westen des Bezirks Mitte befindet sich der U-Bahnhof Hansaplatz. Des Öfteren sieht man abends an dessen nördlichem Ausgang viele wartende Jugendliche. Aha, wenige Meter weiter, im GRIPS-Theater, ist also wieder eine Aufführung – eine von mindestens 40 pro Monat, die in einer Spielzeit über die Bühne gehen! Das Kinder- und Jugendtheater ist eine Institution in der Berliner Theaterszene. Dass es sich zu einer solchen entwickeln würde, war keinesfalls ausgemacht, als einige Schauspieler des „Reichskabaretts“ und der Dramatiker Volker Ludwig 1971 das Theater „Rote Grütze“ gründeten, das sie nach einem Jahr in GRIPS umtauften. Bewusst als Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft konzipiert, wurde die Einrichtung Mitte der 1970er Jahre von der Springer-Presse angegriffen und Ludwig & Co. von der Berliner CDU als „kommunistische Kinderverderber“ gebrandmarkt. Doch die Angriffe nutzten dem GRIPS mehr, als es ihm schadete. Dass sich das Theater in der „Frontstadt“ halten konnte, war zum Teil der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit zu verdanken, aber auch den neu geschriebenen Stücken, die stets das thematisierten, was den (jungen) Leuten unter den Nägeln brannte. Paradebeispiel ist natürlich das Musical „Linie 1“, preisgekrönt, international gefeiert und ein Dauerbrenner bis heute. In der Spielzeit 2011/12 übergab Volker Ludwig die Leitung an Stefan Fischer-Fels, die Stücke sind kritisch geblieben: So thematisiert das GRIPS heute wie früher aktuelle und brennende Fragen, etwa zur Gentrifizierung, zur Privatisierung von Wasser oder zu Migration. Neu sind dagegen verschiedene Kooperationen, etwa „Theater auf Rezept“, bei dem Berliner Kinderärzte einen kostenlosen Besuch einer Vorstellung im GRIPS-Theater verordnen können. In dieser Spielzeit stehen noch vier Uraufführungen an, allesamt dem Aufbegehren und dem Widerstand, aber auch dem Nachdenken verpflichtet. Wie könnte es beim GRIPS auch anders sein?

Kontakt: GRIPS-Theater, Altonaer Straße 22, 10557 Berlin, Tel. (030) 39 74 74 77, www.grips-theater.de.

 

André Ullmann