Nach- und weitergetragenes

Na, da war ich auf dem richtigen Pfad, als ich letztens über die Bebauung Ecke Torstraße sinnierte. Jetzt ist sie offiziell. Suhrkamp & Insel haben Pläne veröffentlicht, Café und Wohnungen sind geplant, aber erstens wirken Entwürfe meist fade, und zweitens bauen sie die Berliner hellen Kästen, aber etwas anders und ohne Sehschlitze, dafür mit fußbodentiefen Fenstern. Beton ergänzt Glas und Metall, auf die Südseite kommt das Grüne fürs Volk. Nett, aber mir wären stärkere Visionen und kräftigere Farben lieber. Jedenfalls wurden damit am Rosa-Luxemburg-Platz Fakten geschaffen, noch bevor sich der übliche Protest hemmend formieren konnte. Hier ist das gut, anderswo mag das anders sein. Und auch der Frühling greift vor, tut, als hätte er es fast geschafft. Man sitzt, wenn sie da ist, unter der Sonne, sieht dem Leben zu. In der Bäckerei Sophienstraße schmeckt der Kuchen anders als sonst. Sie führen jetzt auch Müsli im Kühlangebot. Schon rätselt man beim Anstehen, ob die Eigentümerin aufgegeben habe? Undenkbar, sage ich, doch nicht Frau Balzer! Aber vielleicht doch, und haben sie einen neuen Bäcker? Zu all dem schweigt die freundliche Verkäuferin. Sie lässt uns denken, was wir wollen.

Inzwischen sind auch Neuigkeiten vom Tacheles-Gelände durchgedrungen: Da werden bald Erdberge transportiert, wirklich 2,5 Hektar? Aus einer sechsteiligen, elf Meter tiefen Baugrube? Und im Juli gehts los? Fast ein ganzes Jahr lang werden dutzende Lastwagen damit irgendwohin rollen. Vielleicht sollten sie stattdessen den kleinen Hügel im Monbijoupark vergrößern? Zumindest würde das den Treibstoffausstoß verringern.

Aber was auch immer mit der Erde geschieht, in der Oranienburger Straße geht es seinen Gang. Ist die betonierte Riesenkuhle letztlich zu Ende ausgegossen, werden wir das ganze stolze Ausmaß sehen, denn schon 2020 (!) soll das große Stück Bebauung vollendet sein. Klingt zwar eher nach chinesischem, nicht nach Berliner Tempi, aber die Hoffnung bleibt, denn BER ist schließlich nicht überall.

Dafür scheint es auf dem benachbarten Freiberger-Gelände momentan nicht sonderlich flott weiterzugehen. Aus meinem sehnlichst erwarteten Literatur-Café, dessen Zuckernäpfe auf dem Tisch stets die Eröffnung signalisierten, sind die dunklen Möbel verschwunden. Ist das gut oder schlecht? Auch das wird sich zeigen. Schließlich trennt uns von allem, was wir begehren, stets nur die Zeit. Und bekommen wir es, hat es seinen Reiz oft schon verloren.

Irene Runge