Nachösterlicher Spaziergang

„Wat meene Wenigkeit anjeht", sagt der Mann, „is’ die Feierei nich’ so mein Ding“. Ostern ist vorbei, der 1. Mai ist ohne Sonne und kein Arbeiterkampftag, sondern vergängliches Wochenende. Wehmütig denke ich, wie wir einst nach machtvollen Paraden die raren Kneipen besuchten, in denen Bockwurst mit Kartoffelsalat für 1,35 Mark und Bier 51 Pfennig kosteten. DDR-Identität hat auch damit zu tun.

Viele Gegenden sind im nasskalten Frühling ungemütlich, auch die beim ehemaligen Walter-Ulbricht-, später Stadion der Weltjugend, wo jetzt der Amtssitz des BND der Vollendung harrt. Über den soll ein Taxifahrer gesagt haben, das sei „denen ihre Stasi“. Inzwischen sind die sperrigen Sichtblenden abgebaut, die Chausseestraße hier wegen Tiefbauarbeiten halbwegs für Autos gesperrt, Fahrräder schlängeln an wenigen Fußgängern vorbei. Schrägseitig gegenüber der neuen Zentrale Restaurants, ein schicker Edeka-Markt, Hotels, viel neues Wohnen. Manche Blöcke führen Richtung Osten durch Tore und Durchgänge in lichte Hinterhöfe, zu gepflegtem Grün, kleinen Parkanlagen, Bänken, Skulpturen, Spielplätzen. Dazwischen helle Kästen, meist sechs Stockwerke hoch, für Autos unterkellert. Unsichtbare Bewohner lassen Stühle, Kinderspielzeug und Grill auf Erdgeschossterrassen stehen. Schilder mahnen, das Betreten und Betrachten der privaten Höfe sei nicht erwünscht.

Wer auf den neuen Amtssitz blickt, sieht hinterm Zaun zwei kleine märkische Kiefernhaine. Birken würden den Eindruck sowjetischer Baukunst ukrainischer Machart ungemein verstärken. An der Rückseite des Geheimdienstparadieses zwei hohe Palmen aus Beton, fast wie in Kalifornien. Dahinter steckt kaum die Abteilung Orient. Auf der gesperrten Querstraße sind Fotos militärischer Objekte verboten. Aber bald kann alle Welt entlang der Panke Palmen, Kameras und Schlitzfenster der Behörde freien Blicks taxieren. Noch bin ich mit den Wildenten allein. 

Auch bei uns wird gebuddelt. Nein, sagt der freundliche Bauleiter, kein Bezug zu Bauarbeiten von vor zwei Monaten. Jetzt geht es um Strom. Jede Baustelle, belehrt er mich, dient ihrem eigenen Zweck. Darum schaufeln und schippen sie wohl auch feiertags, denn schließlich gilt: „Wir bauen auf, wir reißen nieder, Arbeit gibt es immer wieder.“

Irene Runge