Prostitution in Mitte – Herr von Dassels Kampf gegen sich selbst und Sexarbeiterinnen

Prostitution gilt vielen als Inbegriff sozialen Scheiterns und seelisch-moralischer Verwahrlosung. In der öffentlichen Debatte tritt Prostitution nahezu ausschließlich als asoziale Praxis der Versager auf, die es zum Wohle der Mehrheitsgesellschaft auszumerzen gilt und deren Protagonisten vormundschaftlicher staatlicher Fürsorge bedürfen. Die jüngste Diskussion in Mitte um die Kurfürstenstraße steht hierfür beispielhaft. Der Bürgermeister von Berlin Mitte, Stephan von Dassel, regte sie mit der Forderung nach der Errichtung einer Sperrzone für Prostitution an und verwies dabei auf unhaltbare Zustände in der Öffentlichkeit. Dieser „Lösungsansatz“, das sagt von Dassel selbst, ist keiner, denn seine Umsetzung würde nur eine Verlagerung der Straßenprostitution innerhalb Berlins nach sich ziehen. Dementsprechend regt auch das Bezirksamt in seinen öffentlichen Stellungnahmen eine andere Strategie an: Orte schaffen, an denen Prostitution im städtischen Gebiet kontrolliert stattfindet; Sicherstellung, dass die werktätigen Frauen ihre Arbeit selbstbestimmt ausüben können und vor Zuhälterei, gesundheitlichen Gefahren und übergriffigen Freiern geschützt werden können.

Na ja, könnte man nun sagen, da stilisiert sich halt mal wieder ein Berliner Politiker als Scheriff, aber wenigstens arbeiten er und seine Behörde vernünftig. Schade nur, dass die Scheriff-Attitüde den eigenen Anstrengungen zuwiderläuft. Spricht man mit den Betroffenen, so zeigt sich, wie groß der Graben zwischen ihnen und Vertretern des Staates ist.

Da will also der Bezirk Sexarbeit arbeitsrechtlich regulieren und Zwangsprostitution ausmerzen – und der Bürgermeister zerschneidet das Tischtuch zwischen den Betroffenen und dem Bezirk, weil – ja, warum eigentlich?

Sarah Suchy und Frank Hillmer