Sonderbares im öffentlichen Raum

Unten im vormaligen U-Bahnhof Thälmannplatz haben zwei kleine Punkte die inkriminierte Mohren- in eine Möhren-Straße verwandelt. Witzig. Oben ist es ungemütlicher. Da hasten Leute, Geschäfte und Restaurants warten auf Business oder erdulden die Insolvenz. Hier wohnen wenige, auch Spielplätze sind rar. Neue Eissorten, Kinos, Streetfood und vertrauliches Straßengerede gibt es nordöstlicher im Bezirk, wo Radfahrer auf Bürgersteigen fahren und Tourguides wortgewaltig den kleinen und großen Reisegruppen die Welt in vielen Farben erklären. Mehr Respekt auf allen Seiten ließe das liebenswert urbanem Mit- und Nebeneinander sprießen, auch zwischen Alex und Rosenthaler Platz, Hackeschem Markt und Friedrichstraße. Doch solcher Respekt setzt wohl Gelassenheit voraus. Ist, wer noch um die Mittagszeit schlafend den Durchgang zur U 8  am Rosenthaler Platz blockiert, hier zum Mitspielen fähig? Wer sind die polnischen Männer, die zwischen Flaschen, Abfall und vollgerempelten REWE-Einkaufswagen lagern und mangels WC ungeniert gegen Wände pinkeln? Wann ist dieses moderne Elend, dem Worte, Scham, Wut und Hilflosigkeit nicht gewachsen sind, selbst- oder fremdverschuldet? Polizei, Sozialarbeitende, Ordnungskräfte scheinen überfordert, keine Regeln sind durchsetzbar, das Zumutbare stößt an Grenzen, wenn immer mehr Heimatlose immer mehr Bahnhöfe, Sparkassenvorräume, Hauseingänge, Straßen, Parks und Plätze besetzen.

Die Antwort aus New Yorks Manhattan lautete vor Jahrzehnten: ZERO TOLERANCE. Das kommerzialisierte Midtown war damals nicht nur abends unbegehbar, law and order riefen auch soziale Projekte auf den Plan, die heute links genannt werden könnten: Ein leerstehendes Hotel am Times Square als Obdachlosendomizil, kein Alkohol, Nikotin, Gewalt, Drogen, die Gegenleistung für Brot und Bett hieß arbeiten fürs Gemeinwohl. Das stand gut lesbar auf den Rücken der Jacken, in denen nun ehemals Obdachlose Straßen fegten, Fremden halfen und sich die Innenstadt erholte.

Wäre ähnliches mit dem „Haus der Statistik“ am Alex möglich? Müssen Geschäfte, Kaffeehäuser, Restaurants und Kneipen Kunden verlieren, sich Ramsch & Co. etablieren, bevor der Umbruch eingeleitet wird? Drängelnde Menschenmassen sind nicht alles, noch mehr Hotels bringen keine Bewohner, denen der Kiez am Herzen liegt. Touristen gehen gern in muntere Wohngebiete. Ich auch. Besonders, wenn ich reise.

Irene Runge