Stadtentwicklung von vorgestern - Am Holocaust-Mahnmal entsteht hochpreisiger Wohnraum

Die Richtungswechsel der Baupolitik in der jüngeren Berliner Geschichte lassen sich aktuell am Beispiel des Bauprojekts „Palais am Brandenburger Tor“ betrachten. In der Cora-Berliner-Straße wurde kürzlich der Grundstein für den 29 Meter hohen Bau gegenüber dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas gelegt, der im Frühjahr 2021 fertiggestellt sein soll.

In den letzten Jahren der DDR wurden hier Wohnbauten in Großplattenbauweise errichtet, die schließlich von der landeseigenen WBM übernommen wurden. Diese plante unter dem Namen „Wohnen in den Ministergärten“ einen umfangreichen Neubau. Doch der Bankenskandal des Diepgen-Senats, dessen Folgen von der folgenden rot-roten Koalition verwaltet werden mussten, führte zu einem Spardruck, sodass die WBM das Grundstück verkaufte.

In den folgenden Jahren wurde es als reines Spekulationsobjekt an immer neue Besitzer verscherbelt. Seit 2011 lag eine Baugenehmigung vor, doch statt Wohnraum entstanden als Dauerprovisorium Wurst- und Souvenirbuden. 2016 wurde das 4.500 m² große Grundstück schließlich an zwei anonyme Eigentümerfamilien verkauft und durch den damaligen rot-schwarzen Senat ein Bebauungsplan festgelegt.

Die Eigentümer beauftragten den Münchener Entwickler MUC Real Estate mit der Bauplanung. Diese sieht nun letztendlich die Errichtung von 134 Mietwohnungen vor, mit Läden und Restaurants im Erdgeschoss. Und die Investition – der Tagesspiegel mutmaßte 2016, der Preis des Grundstücks habe bei 75 Millionen Euro gelegen – soll sich lohnen: Zwar konnte der jetzige rot-rot-grüne Senat in einem städtebaulichen Vertrag zumindest noch öffentliche Toiletten und eine frei zugängliche Aussichtsplattform festschreiben. Doch das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, bei dem 30 Prozent der Geschossfläche als mietpreis- und belegungsgebundener Wohnraum gefördert werden, kommt nicht zur Anwendung.

So wird ein weiteres innenstädtisches Grundstück als Ergebnis jahrelanger Bodenspekulation für hochpreisigem Wohnraum geopfert. Genau an solchen Beispielen zeigt sich, wie wichtig die weitere Durchsetzung einer linken Stadtentwicklungspolitik mit Mietendeckel, Rekommunalisierung und aktiver öffentlicher Bodenpolitik ist.

 

Markus Wollina