Unsichtbare Frauen?

Jeder kennt wohl das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Tatsächlich ist es schwer, sich nicht ständig Bilder zu machen und sich und die Welt immer wieder aufs Neue zu inszenieren. Sich „ein Bild zu machen“ bedeutet, sich etwas bewusst zu machen, es einzuordnen, zu deuten und zu bewerten. Vor diesem Hintergrund bestimmt Sichtbarkeit Relevanz und Wert.

Am Mittwoch, den 8. März 2017, ist der Internationale Frauentag. Dieser Tag bietet nicht nur eine Gelegenheit, um im Privaten Mütter, Ehefrauen, Freundinnen, Kolleginnen etc. zu ehren, sondern auch eine Gelegenheit, um im öffentlichen Diskurs Bilder zu erzeugen und sich selbst Bilder zu schaffen.

Wo die Bilder fehlen, bleiben auch bestimmte Aspekte der Wirklichkeit unsichtbar. Besonders Frauen und ihre Leistungen werden immer noch übersehen. Nach den Ergebnissen aus der Zeitverwendungserhebung 2012/2013 des Statistischen Bundesamtes arbeiteten Frauen mit rund 45,5 Stunden pro Woche zwar insgesamt eine Stunde mehr als Männer, leisteten dabei jedoch zwei Drittel ihrer Arbeit unbezahlt. Zu bedenken gilt, dass sich dieser Zeitaufwand für Arbeit nochmal deutlich zwischen Haushalten mit und ohne Kind unterscheidet. Unbezahlte Arbeit umfasst hierbei neben Arbeiten zuhause, bei der Erziehung der Kinder oder bei der Pflege von Alten und Hilfsbedürftigen auch freiwilliges Engagement. Frauen übernehmen einen maßgeblichen Anteil an vielfältigen „Sorge- und Kümmerarbeiten“. Das Ehrenamt in sozialen Feldern, Gesundheits- und Erziehungsbereichen oder im kirchlichen Bereich ist jedoch selten mit sichtbarer gesellschaftlicher Anerkennung oder Einfluss verbunden. Die erbrachten unbezahlten Leistungen bleiben also in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht unsichtbar. Sie gehen bisher nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein, geschweige denn in eine spätere Rente. Unbezahlte Arbeit macht im Alter arm, obwohl sie gesellschaftlich ebenso wertvoll und notwendig ist wie die sichtbare Erwerbsarbeit.

Die Teilung der Arbeit in bezahlte und unbezahlte Arbeit beeinflusst die Teilhabe von Frauen an der Verteilung von ökonomischen Gütern, Geld und Vermögen. Es ist daher wichtig, sich mit unbezahlter Arbeit auseinanderzusetzen und sich davon ein Bild zu machen. Es ist ein großer Teil der Tätigkeiten, der tagtäglich – vor allem von Frauen – gemacht wird: Waschen, Kochen, die Sorge für Kinder und Erwachsene, Putzen, aber auch die schlichte Planung eines reibungslosen (Familien-)Alltags ist Arbeit. Die Deutung und Bewertung eines Phänomens kann Sichtbarkeiten produzieren und damit auch neue Bilder, die weiterwirken. Eine öffentliche Diskussion um das Phänomen der Arbeitsteilung, die sowohl geschlechts- als auch schichtspezifische Aspekte berücksichtigt, macht Arbeit neben Erwerbsarbeit sichtbar und damit auch zahlreiche unsichtbare Frauen.

 

Ramona Reiser, Mitglied der Linksfraktion in der BVV