Vor 100 Jahren: Achtstundentag in Deutschland

„Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten“ – so steht es heute im Arbeitszeitgesetz. Vor 100 Jahren wurde der gesetzlich begrenzte Normalarbeitstag erstmals Wirklichkeit in Deutschland.

Wie Marx im „Kapital“ zeigte, ist der Normalarbeitstag „das Produkt eines langwierigen, mehr oder minder versteckten Bürgerkriegs zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse.“ Die Arbeiterbewegung machte den Normalarbeitstag daher frühzeitig zur Kernforderung.

„8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Erholung, 8 Stunden Schlaf“ – diese Parole des Frühsozialisten Robert Owen wurde seit den 1830-er Jahren von der englischen Arbeiterbewegung hochgehalten. Die Forderung verbreitete sich: 1866 wurde sie von der 1. Internationale gestellt, 1869 im Eisenacher Programm der SPD, 1889 auf dem Gründungskongress der 2. Internationale. National umgesetzt wurde sie erstmals 1915 in Uruguay.

Auch in Deutschland war die Arbeitszeitbegrenzung Ausdruck des Klassenkampfs. Infolge der Novemberrevolution war die Kapitalistenklasse zu Zugeständnissen bereit, verlangte ebensolche aber auch von der Arbeiterschaft. Am 15.11.1918 schlossen Vertreter von Kapital und Arbeit das sog. Stinnes-Legien-Abkommen. Es enthielt die gegenseitige Anerkennung von „Arbeitgeber“-Verbänden und Gewerkschaften als Tarifpartner sowie die Einführung des Achtstundentages, welche zum 1.1.1919 erfolgte.

Die Freude währte nicht lange: Bereits 1923 wurde ein Arbeitstag von bis zu 11 Stunden legalisiert. Der Arbeitstag blieb Objekt der Auseinandersetzung im Klassenkampf. Heute steht er weltweit unter Beschuss, wie etwa die aktuellen Kämpfe in Ungarn und Österreich zeigen. Auch der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger forderte kürzlich eine „Flexibilisierung“ für die Gastronomie mit bis zu 13 Arbeitsstunden täglich.

Angesichts der enormen Produktivität der modernen Produktionskräfte wäre jedoch längst eine weitere Begrenzung des Arbeitstages angebracht. Der Normalarbeitstag bleibt daher weiterhin wesentliches Kampffeld für die Linke weltweit.

Markus Wollina