Was der Brexit für Brit*innen in Berlin bedeutet

Im Februar kam ein Bürger aus dem Wedding zu mir in die Sprechstunde. Er ist mit einer Engländerin verheiratet, deren Arbeitgeber in Manchester sitzt und zu welchem sie aus Berlin regelmäßig reisen muss. Zudem wohnt ihre Familie in Manchester, die sie besucht. Ihr Mann zeigte mir ein Schreiben der Berliner Ausländerbehörde für den Fall eines ungeregelten Brexit. Im Kern sieht diese vor, dass ab dem Brexit eine Drei-Monats-Frist mit dem Recht zum Aufenthalt läuft, innerhalb derer alle in Deutschland lebenden Britinnen und Briten sich um einen dauerhaften Aufenthaltstitel bemühen können. Aber es stand auch darin, dass die einseitige Erklärung der Bundesregierung zu dieser dreimonatigen Übergangsfrist kein Recht zur Wiedereinreise nach Deutschland beinhaltet.

Mein Kollege Carsten Schatz, Sprecher für Europapolitik, und ich nahmen dies zum Anlass, mal vom Senat zu erfahren, was britische Staatsbürger*innen in Berlin im Falle eines harten Brexit zu erwarten hätten. Mittlerweile hat sich die Lage durch die Verschiebung des Brexit-Termins auf Ende Oktober etwas entspannt. Aber deutlich wurde, dass viele Fragen von Aufenthalt, Reisefreiheit, aber auch Arbeitserlaubnis für die 18.000 in Berlin lebenden Britinnen und Briten nach wie vor ungeklärt sind. (Abgeordnetenhausdrucksache 18/17968).

Die Europäische Union und mit ihr insbesondere die europäische Freizügigkeit für Menschen sind inzwischen eine vor allem für junge Menschen selbstverständliche Realität. Für unseren Bezirk, in dem etwa ein Viertel der Bewohner*innen keinen deutschen Pass hat, gilt das erst recht. Seit 2010 ist die Zahl der EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in Berlin wohnen, um 100.000 auf knapp 250.000 gestiegen.

Die Debatte um den Brexit hat den Menschen in Europa deutlich vor Augen geführt, welche dramatischen Folgen ein Auseinanderbrechen der EU für jeden ganz persönlich haben kann. In Großbritannien wurde aus mehr oder weniger populistischen Motiven ein Volksentscheid knapp zugunsten des Ausstiegs entschieden. Mittlerweile haben sich laut Umfragen die Mehrheiten dort geändert, weil die Bürger*innen merken, dass man nicht zu einem imaginären Punkt in der Vergangenheit zurückkehren kann und Nationalismus kein Zukunftsprojekt ist.

Wir als LINKE haben vieles am jetzigen Zustand der Europäischen Union zu kritisieren. Viel zu spät wurde erkannt, dass Europa vor allem ein solidarisches und soziales Projekt sein muss. Dafür setzen wir uns ein – in Brüssel und Strasbourg, aber auch in Berlin. Aber der Grundgedanke, dass es gemeinsam in Europa besser geht, dass wir Frieden wollen. Der steht nicht zur Diskussion.

Tobias Schulze