Wohnraum durch Existenzzerstörung?

Ateliers und Gewerberäume in den Weddinger Gerichtshöfen gefährdet

Über 80 Künstler und ca.150 gewerbliche Mitarbeiter, die in den Gerichtshöfen arbeiten, müssen um ihre Existenz fürchten.

Die Gerichtshöfe sind über 100 Jahre alte Gewerbehöfe zwischen Gerichtsstraße und Wiesenstraße. Seit Anfang der 80-er Jahre hat die GESOBAU als Eigentümerin auch Künstlern günstige Räume für ihre Ateliers verschafft. Auch heute noch existiert hier die für Berlin so typische Mischung aus Künstlerateliers, Werkstätten, Wohnungen und Handwerksbetrieben. Die Gerichtshöfe sind eines der größten Kunstquartiere Deutschlands geworden.

Seit Oktober 2016 ist allerdings eine Machbarkeitsstudie bekannt, nach der das Areal komplett saniert und nur noch zum Standort für „studentisches Wohnen und kreatives Arbeiten“ werden soll. Die Existenzangst geht unter den Firmen umher, da sie sich einen Umzug und entsprechende Kundenverluste nicht leisten können. Gewerbeverträge wurden nur noch bis Ende 2017 verlängert.

Kern der Auseinandersetzung ist, dass in einem Neubau sowie in den Fabriketagen nicht weniger als 150 Studentenappartements geplant sind. Der Neubau solcher Kleinwohnungen ist zurzeit ein äußerst renditeträchtiges Marktsegment geworden, der „Versorgungsauftrag“  offensichtlich nur vorgeschoben. Schräg gegenüber lässt gerade ein anderer Investor, der ebenso auf diesen Boom setzt, das frühere Stadtbad Wedding zu diesem Zweck abreißen.

Selbstverständlich sollen auch die Ateliers nach der Sanierung erheblich teurer werden, ebenso die Wohnhäuser Wiesenstraße 62 und Gerichtsstraße 12/13, die zum Gerichtshöfe-Komplex gehören. Viele Bewohner, die Künstler ebenso wie die Gewerbetreibenden und die Leute in den Wohnhäusern, befürchten, zumindest längerfristig verdrängt zu werden.

Wes Geistes Kind der frühere Senat war, lässt sich daran ablesen, dass er die GESOBAU-Pläne ohne Einschränkung „ausdrücklich begrüßte“. In den sozialen Medien erhob sich dagegen ein Sturm der Entrüstung. Und nachdem sich auf Senatsebene die rot-rot-grüne Koalition gebildet hatte, stoppte die GESOBAU das umstrittene Vorhaben zunächst für zwei Jahre. Auf Bezirksebene hat sich besonders die BVV-Abgeordnete der LINKEN, Katharina Mayer, für die Künstler und Gewerbetreibenden eingesetzt. Man darf gespannt sein, wie die GESOBAU auf den BVV-Beschluss vom 17.11.“Gerichtshöfe als Gewerbehof und Kulturstandort erhalten“ reagieren wird. Er beinhaltet auch, dass ein Neubau von Studentenwohnungen die bisherigen Nutzungen nicht gefährden darf.             

Rainer Scholz