Tag der Befreiung – Demokratisches und antifaschistisches Gedenken aktiv gestalten und verteidigen

Seit Jahrzehnten bemühen sich Überlebende des Holocaust und ihre Unterstützer*innen darum, dass der 8. Mai als „Tag der Befreiung“ gewürdigt wird, indem er zum bundesweiten gesetzlichen Feiertag erklärt wird. Aus dem demokratischen Parteienspektrum gibt es zunehmend Zuspruch, doch die Bundesregierung zögert. Berlin ist hier Vorreiter und hat als erstes Bundesland den diesjährigen 8. Mai einmalig zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Das ist symbolisch ebenso richtig wie wichtig, gerade in Zeiten der Verrohung des gesellschaftlichen Klimas durch ein Erstarken von rechtsextremen und rechtspopulistischen Kräften. Doch auch wenn der Berliner Vorstoß diesen Tag aufwertet, muss er gleichwohl aktiv durch eine demokratische und antifaschistische Gedenk- und Erinnerungspolitik geprägt und bewahrt werden. Das ist allein schon darum notwendig, weil der gegenwärtige „Kulturkampf von rechts“ auf die Erringung „kultureller Hegemonie“ (Gramsci) zielt, als Vorstufe zur angestrebten politischen Macht. Zentral ist dafür die Aneignung, Umdeutung und (Neu-)Besetzung einer „deutschen Identität“, wobei diese Identität auch und vor allem die Geschichte betrifft. So werden die NS-Zeit und der Holocaust regelmäßig verharmlost und relativiert – und damit wird auch die kritische Auseinandersetzung mit dem NS abgewertet und mitunter aktiv angefeindet. Dies zeigt sich etwa in Berlin-Mitte, wenn bei den zahlreichen rechtsextremen sowie rechtspopulistischen Aufmärschen im Regierungsviertel entsprechende Parolen verbreitet werden, oder es zeigt sich in Gedenkstätten und Museen, die zunehmend mit Anfeindungen konfrontiert sind. Es spiegelt sich aber auch in erhöhten Beratungsanforderungen aus diesen Institutionen an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin wider; die Erkenntnisse aus diesen Beratungen sind in die Ende 2019 erschienene Handreichung „Nur Schnee von gestern? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Gedenkstätten und Museen“* eingeflossen. Ein demokratisches, (selbst-)kritisches Gedenken muss also – am Tag der Befreiung, aber auch an allen anderen Tagen – angesichts dieses „Kulturkampfes von rechts“ aktiv gelebt, gestaltet und verteidigt werden.

Hamid Mohseni arbeitet seit 2017 bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Er arbeitet schwerpunktmäßig u.a. zum Thema Kunst & Kultur"

 

*https://www.mbr-berlin.de/materialien-2/publikationen-handreichungen/nur-schnee-von-gestern/?lang=de