Erklärung zur versuchten Räumung der Habersaathstraße 40-48

Heute früh (9. August 2023) wurde unsere Fraktion informiert, dass in allen Wohnungen in den Gebäuden der Habersaathstraße 40-48 unangekündigt Strom und Wasser durch die private Sicherheitsfirma K&K Munitionsbergung abgestellt wurden. Kurz darauf begannen die Angestellten dieser Firma, Wohnungen zu begehen, Wohnungstüren einzutreten, Waschbecken zu zerschlagen, Fenster auszubauen und auch Privateigentum der Bewohnenden zu zerstören. Das alles geschah ohne Ankündigung, ohne Räumungstitel und ohne Rücksicht auf die anwesenden Bewohnenden, unter denen auch Kinder und Schwangere waren.

Nach Beginn der Maßnahmen wurde dann gegen 9:30 Uhr ein Zettel im Treppenhaus aufgehängt und verteilt, auf dem die Eigentümerin des Hauses, die Arcadia Estates Habersaathstraße 40-48 GmbH erklärt, dass alle Nutzungsverhältnisse und Duldungen fristlos gekündigt werden. Die Bewohnenden hätten bis zum 9. August 10 Uhr (nur 30 Minuten später) Zeit, die Wohnungen zu verlassen und alle Habseligkeiten, die dann noch in der Wohnung seien, entsorgt würden. Dieses Schreiben liegt uns vor. Mehrere Mitglieder unserer Fraktion waren während der brutalen Räumung vor Ort.

Dieses Vorgehen ist nicht nur moralisch absolut verwerflich, sondern auch illegal. Ohne Ankündigung, persönliches Anschreiben und Räumungstitel hat der Eigentümer kein Recht, Wohnungen räumen lassen und erst recht nicht, diese unbewohnbar zu machen.

Wir fordern das Bezirksamt Mitte zu den folgenden Schritten auf:

1. Beschlagnahmung des Gebäudekomplexes durch den Bezirk Mitte

Dieses Rechtsmittel steht schon seit Jahren im Raum. Um Obdachlosigkeit zu verhindern, darf der Bezirk nach Allgemeinem Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Bln) Wohnungen beschlagnahmen und dort Menschen unterbringen. Bisher wurde dieser Schritt durch das Bezirksamt für die Habersaathstraße 40-48 aufgrund der rechtlichen Hürden abgelehnt. Wenn ein Vermieter aber mit privaten Sicherheitsfirmen anrückt, um Wohnraum zu zerstören, ist die Situation eine ganz andere. Insbesondere da es absehbar ist, dass der Eigentümer in den nächsten Tagen und Wochen weiterhin versuchen wird, das Gebäude zu räumen.

2. Unterbringung der Bewohnenden in gleichwertigen Unterkünften

Dies muss so schnell wie möglich geschehen, ein Verweis auf die Angebote der Obdachlosenhilfe reicht nicht, es müssen gleichwertige (Wohn-)Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden.

3. Die Polizei muss informiert und weitere Räumungsversuche müssen verhindert werden.

Am 9. August erschien die Polizei nach einem Notruf der Bewohner*innen, war über Stunden anwesend und griff nicht ein. Die illegale Räumung und Zerstörung von Wohnraum geschah ungehindert unter den Augen der Polizei. Sollte es zu einem erneuten Räumungsversuch kommen, muss dieser im rechtlichen Rahmen verhindert werden. Es müssen Beamte vor Ort sein, um Strafanträge der Bewohnenden direkt annehmen zu können. Dafür muss die zuständige Polizeidirektion informiert und sensibilisiert werden. Es darf nicht sein, dass die Polizei Wohnungsspekulation schützt, aber Mietende, Obdachlose und geflüchtete Menschen hilflos der Willkür von Eigentümer und einer wildgewordenen Sicherheitsfirma überlässt.

4. Rechtliche Unterstützung der Bewohnenden und Ahndung des Vorgehens

Der Bezirk muss die Betroffenen unkompliziert bei dem Einklagen ihrer Rechte unterstützen, z.B. durch eine kostenlose Rechtsberatung. Gleichzeitig muss der Bezirk alle bevorstehenden polizeilichen Ermittlungen gegen den Eigentümer und die Sicherheitsfirma vollumfänglich unterstützen. Hier muss klare Kante gezeigt werden, um jegliches ähnliche Vorgehen durch die Arcadia Estates Habersaathstraße 40-48 GmbH und andere Wohnungseigentümer zu verhindern, sonst wird der Vorgang in der Habersaathstraße zu einem Präzedenzfall.

 

Jacqueline Sanehy und Sven Diedrich

Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. in der BVV Mitte von Berlin

 

Martha Kleedörfer


Wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. in der BVV Mitte von Berlin