Das Parlament redet in Zukunft mit bei der Pandemiebekämpfung

Die Eindämmung der Corona-Pandemie beschäftigt die Politik seit fast einem Jahr. Solche Krisenzeiten seien Zeiten der Exekutive, hieß es oft. Und in der Tat wurden die wichtigsten Entscheidungen zwischen Ministerpräsident:innen und der Kanzlerin in kleinen und kleinsten Runden vorbereitet und im Senat umgesetzt. Auch wenn vieles wegen Durchstechereien an die Presse nicht geheim bleibt, so sind diese Entscheidungswege der Exekutive im Kern doch vertraulich. Im Frühjahr konnten es viele noch nachvollziehen, dass bei der Dynamik der notwendigen Entscheidungen nicht jedes Mal das Parlament vorher befasst werden konnte. Seitdem sind jedoch einige Monate vergangen und die Politik hat Erfahrungen gesammelt. Die zweite Welle war absehbar und von vielen Wissenschaftler:innen vorhergesagt. Von Überraschung konnte im Oktober und November keine Rede mehr sein.

Die demokratischen Fraktionen des Abgeordnetenhauses hatten sich bereits im Mai vergangenen Jahres auf den Weg gemacht, die Beteiligung des Parlaments bei der Pandemiebekämpfung gesetzlich zu regeln. Denn der Ort der öffentlichen Debatte über Gesetze und Regeln für unser Zusammenleben ist und bleibt das Parlament. Und wo könnte diese Debatte notwendiger sein als bei so einschneidenden Beschränkungen wie im Shutdown, den wir auch gerade wieder erleben? Zu Recht forderten Bürgerinnen und Bürger ein, dass Richtung und Ziel der Pandemiebekämpfung stärker öffentlich diskutiert und so mehr Transparenz über Alternativen hergestellt werden sollten. Und nicht zuletzt sind es die gewählten Abgeordneten, die vor Ort präsent sind und als Ansprechpartner:innen für die Landespolitik wahrgenommen werden.

Bei der Schaffung des Gesetzes galt es also zwei Ziele auszubalancieren: einerseits mussten Senat und Bezirke in schneller Frist handlungsfähig bleiben, andererseits sollten wichtige Grundlinien der Krisenpolitik im Parlament diskutiert und auch abgestimmt werden. Und so führen wir mit dem Gesetz einen Zustimmungsvorbehalt für besonders tiefgreifende Grundrechtseingriffe etwa beim Versammlungsrecht oder bei Aufenthaltsbeschränkungen ein. Hier muss das Abgeordnetenhaus explizit vor Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung zustimmen. Aber auch alle anderen Infektionsschutzverordnungen kann sich das Landesparlament auf den Tisch ziehen, beraten und im Zweifel ablehnen. Und nicht zuletzt: wir geben dem Senat auf, die unterschiedlichen sozialen Lebenslagen und Betroffenheiten bei seinen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu berücksichtigen und diese Abwägungen auch transparent zu machen.

Auch wenn die Verhandlungen zum Gesetz sich bis zum Dezember letzten Jahres streckten, ist es doch ein großer Erfolg, dass das Gesetz nun beschlossen wurde. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt tritt es in Kraft und wir haben der Demokratie ein Stück mehr Freiraum verschafft. 

 

Tobias Schulze (Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Abgeordnetenhaus)