Die soziale Veränderung Europas steht auf der Tagesordnung!

Bundesparteitag von Bonn

Wer Streit erwartet hatte, wurde von diesem Bundesparteitag bitter enttäuscht. DIE LINKE beschloss in Bonn ihr Wahlprogramm und die Liste der Kandidierenden für die Wahlen zum Europäischen Parlament in sachlicher und konstruktiver Atmosphäre. Das heißt nicht, dass es keine Dissense gegeben hätte: in der Generaldebatte wurde leidenschaftlich um das Verhältnis zu Europa gerungen. Die EU sei bereits in ihren Grundstrukturen neoliberal, militaristisch und undemokratisch und daher kaum zu reformieren. Die anderen verweisen darauf, dass die Europäische Union gelebte Realität, Garant für inneren Frieden und politisch zu gestalten sei.

Zwischen diesen Polen wurde besonders in der Präambel des Wahlprogramms um diverse Formulierungen gerungen. Am Schluss wurde einmütig ein Wahlprogramm beschlossen, das scharfe Kritik an der Verfasstheit der EU ausdrückt und zugleich den engagierten Willen zu einer sozialeren Gestaltung Europas deutlich macht. Eine europäische Arbeitslosenversicherung, existenzsichernde Mindestlöhne als europäischer Standard und eine gemeinsame, gerechtere Steuerpolitik, die Steuerschlupflöcher der Konzerne schließt – wir als LINKE wollen mehr europäische Integration, aber vor allem mehr Solidarität. Dazu gehört ein Investitionsprogramm, um die marode Infrastruktur und den Wohnungsbau voran zu bringen, aber auch eine abgestimmte sozial-ökologische Industriepolitik. Nicht zuletzt setzt sich DIE LINKE dafür ein, alle Bestrebungen zu einer Aufrüstung und Militarisierung der Europäischen Union zu beenden.

Ein aufrüttelndes Thema des Parteitags war das Sterben auf dem Mittelmeer. „Menschenrechte sind unteilbar“, rief die Parteivorsitzende Katja Kipping bereits am Freitag in den Saal und beschwor, sich gegen die „Internationale der Mauerbauer“ zu stellen. Besonders bewegte die Delegierten die Rede der Kapitänin des Seenotrettungsschiffs „Seawatch 3“, Pia Klemp. Die Bonnerin berichtete von dramatischen Einsätzen auf dem Mittelmeer, bei denen bisher 14.000 Menschen gerettet werden konnten. Aber auch von dem zweijährigen Jungen, den sie nur noch tot bergen konnte, nachdem die lybische Küstenwache die Menschen auf einem Boot in Panik versetzt hatte. Sie kreuzte mit seiner Leiche an Bord tagelang über das Mittelmeer. „Was sollte ich der traumatisierten Mutter, die wir retten konnten, über den Friedensnobelpreisträger EU sagen?“ Obwohl die Retter nur ihre Pflicht taten, sind sie von hohen Strafen bedroht. „Bestraft werde ich nur, weil ich Menschen rette, die keinen EU-Pass haben.“ Sie bedankte sich für die Unterstützung der LINKEN in dieser harten Auseinandersetzung

Die Listenaufstellung startete mit der Wahl der beiden Spitzenkandidat_innen Martin Schirdewan und Özlem Demirel, die beide mit sehr guten Ergebnissen von über 80 Prozent der Delegiertenstimmen in den Wahlkampf geschickt wurden. Es gab um die weiteren Listenplätze durchaus Konkurrenz, das Wahlprozedere wurde trotzdem mit großem Respekt für die gegenseitigen Positionen über die Bühne gebracht. Aus Berliner Sicht können wir auf Martina Michels zählen, die sich in einer Stichwahl um Platz 5 durchsetzen konnte.

Tobias Schulze