Eis am Rande des Hochsommers

In der Bahn traf ich einen Bekannten, der schwitzend über Erderwärmung klagte. Hierzulande ist dennoch nichts so unbeständig wie das Wetter. Kommt die Hitze, wird Berlin fernsüdlich und vergisst zu meckern, dass anderswo aus Wettergründen stundenlang pausiert wird und Air Conditioning der Gesundheit schadet.

In der Bahn traf ich einen Bekannten, der schwitzend über Erderwärmung klagte. Hierzulande ist dennoch nichts so unbeständig wie das Wetter. Kommt die Hitze, wird Berlin fernsüdlich und vergisst zu meckern, dass anderswo aus Wettergründen stundenlang pausiert wird und Air Conditioning der Gesundheit schadet. Berlins Hitze macht Autofahrer wild und Fußgänger mild, sorgt für gemächliche Warteschlangen vor fairen Eisläden wie dem in der Kleinen Hamburger Straße, wo es um höchste Eisqualität geht. Um den Rosenthaler Platz drängen die Massen ins kulinarische Areal, das Eis lockt überall, auch in der Oranienburger Straße. Nur Schritte weiter übertönen Musikanten den Straßenlärm, heftiger Applaus signalisiert viele Münzen. Bettler schlurfen weiter.

Halb Berlin stöhnt, die andere Hälfte singt, schwitzt und baumelt gelegentlich mit der Seele. Überall wecken große und kleine, alte und neue historische Erinnerungen auf Pappe und Metall das Interesse der Vorbeigehenden. Nicht nur die Mitte der Stadt gibt sich geschichtsbewusst. Doch die historisch korrekt jüngst beschlossene stadtplanerische Auflage, wonach neuer öffentlicher Raum nur noch mit Frauennamen zu versehen sei, treibt seltsame Blüten. Jenseits von Mitte verhinderten Charlottenburg-Wilmersdorfs fraktionsübergreifende Nein-Sager den CDU-Wunsch nach einem Schneerson-Platz. Vielleicht werden sie alsbald den Chaya-Mussia-und-Menachem-Mendel-Schneerson-Platz ausrufen, so, wie sie in Friedrichshain-Kreuzberg genderbewusst den FUMMP beschlossen haben. Nach Geschlechterlogik war kein Moses-, aber ein Ehekompromiss Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz möglich. Mitte hat wichtigere Sorgen. Überall wird gebuddelt und falls am Schloss Namen zu vergeben sein sollten, gibt es genügend preußische Prinzessinnen und Königinnen. Irgendwer wird dann deren emanzipatorische Grundgesinnung ausgraben. Doch die nächsten Sommer gehören den Baugruben und Kränen.

Berlins Mitte wird bis in die Nacht genossen, man sitzt vor Restaurants und am begehbaren Spreeufer. Hier wie überall  in Berlin fehlen öffentliche Trinkwasserspender. Im kalten Winter könnte die Lokalpolitik wahlunabhängig damit Punkte für den kommenden Klimawandel sammeln.  

Irene Runge