Interessenwidersprüche ernst nehmen – ob auf dem Alex oder in Tempelhof

Wer sich die Zeit nehmen kann wachen Auges durch Berlin zu gehen und dazu noch ein gutes Gedächtnis hat, der kann Spannendes erleben, so zum Beispiel wie sich in wenigen Jahren Debatten doch wandeln können.

Über eine wertschätzend ausfallende Haltung zum städtebaulichen Ensemble des Alexanderplatzes haben wir bereits diskutiert. Aktuell spielt sich das  noch ein wenig radikaler auf und um das Tempelhofer Feld ab. Vor sieben Jahren tobte ein politischer Kampf darum. CDU und FDP wollten unbedingt den innerstädtischen Flughafen offen halten, koste es was es wolle, auch die eigene Glaubwürdigkeit. 

Wesentlicher Kritikpunkt der gesamten Opposition war es damals, dass es kein komplettes, abgeschlossenes Nutzungskonzept für diese riesige Freifläche gab. Auch wir als Regierungskoalition hatten noch nicht die Voraussicht, dass darin ja gerade das Bemerkenswerte bestehen würde, dass mitten in der Stadt so ein riesiger Freiraum entsteht. Heute kommen die Leute aus der ganzen Stadt und aus aller Welt  und sind fasziniert von den sich bietenden Möglichkeiten.

Wie stellt sich der Senat nun an, vermittelt er klug und transparent zwischen den unterschiedlichen Interessen? Ich halte eine neue Zentral- und Landesbibliothek für ein unterstützenswertes Projekt. Es wäre eine Investition in Bildung und Kultur, gerade für die jungen Bewohner unserer Stadt. Wir wissen, wie wichtig und wie prägend es in der Kindheit und Jugend ist, den Reichtum und die Vielfalt eines solchen Bildungsstandortes kennen und nutzen zu lernen.

Und die Moral von der Geschichte:  der unermüdliche Einsatz der Bürgerinnen und Bürger taugt zur Veränderung von politischen Entscheidungen, wenn auch sehr mühselig. Aber haben sie sich einmal  wahrnehmbar artikuliert, ist die Zivilgesellschaft wieder gefragt, einen klugen und transparenten Veränderungsprozess mit zu verantworten und die Interessenwidersprüche auf allen Seiten ernst zu nehmen.

Das ist wohl an vielen Orten in der Stadt noch Zukunftsmusik, aber sie klingt gut.

Völlig anders sieht das eine Frau Everwien in einem Beitrag des Klartext-Magazins des RBB im Januar.  Sie fordert in scharfem Ton, aber ohne Argumente die sofortige und vollständige Bebauung  des Alex durch private Investoren. Und alle, die das anders sehen würden, hätten  gar keine Ahnung. Also auch mit dieser Form von Meinungsäußerung muss die Stadt sich auseinandersetzen.        

Carola Bluhm