Theaterkritik: Wolf unter Wölfen, Prämiere am 19.4. im Deutschen Theater

Gekürzte und überarbeite Fassung, aus: der Freitag, Nr. 17, vom 25. April 2013

 

Inflation oder Jeder gegen Jeden

 

Der Erste Weltkrieg hat nichts gebracht außer Schulden, das Geld ist nichts mehr wert und die Bühne ein Kasino. Wie ein überdimensionaler Roulette-Kessel dreht sie sich, bereit alles was noch nicht gesetzt wurde, zu verschlingen. Fetischhaft fokussiert sich die Handlung auf das Spiel mit dem Geld: Wetten, Zocken, Spekulieren, bis der Croupiers „Rien ne va plus!“ ruft. Zwielichtige Gestalten treiben sich herum im Berlin der 1920er Jahre. Suff, Prostitution und Gestank bestimmen das Straßenbild. Es muss eine Drecksstadt gewesen sein, wie Hans Fallada in seinem Roman Wolf unter Wölfen von 1937 erzählt. Ein epischer Querschnitt einer aus den Fugen geratenen Welt, der im Deutschen Theater seine dramatische Aufführung findet (bearbeitet von John von Düffel).

 

Gekürzte und überarbeite Fassung, aus: der Freitag, Nr. 17, vom 25. April 2013

Inflation oder Jeder gegen Jeden

Der Erste Weltkrieg hat nichts gebracht außer Schulden, das Geld ist nichts mehr wert und die Bühne ein Kasino. Wie ein überdimensionaler Roulette-Kessel dreht sie sich, bereit alles was noch nicht gesetzt wurde, zu verschlingen. Fetischhaft fokussiert sich die Handlung auf das Spiel mit dem Geld: Wetten, Zocken, Spekulieren, bis der Croupiers „Rien ne va plus!“ ruft. Zwielichtige Gestalten treiben sich herum im Berlin der 1920er Jahre. Suff, Prostitution und Gestank bestimmen das Straßenbild. Es muss eine Drecksstadt gewesen sein, wie Hans Fallada in seinem Roman Wolf unter Wölfen von 1937 erzählt. Ein epischer Querschnitt einer aus den Fugen geratenen Welt, der im Deutschen Theater seine dramatische Aufführung findet (bearbeitet von John von Düffel).

Regisseur Roger Vontobel bemüht sich dabei um Anschaulichkeit und Konzentration auf das Wesentliche. So wird der Chor häufig als Faktenvermittler eingesetzt: „Als ein Liter Milch 360 Milliarden Reichsmark gekostet hat“ und die Nebenfiguren in fliegendem Wechsel gespielt. Vor allem Katharina Maria Schubert weiß in ihren lasziven Frauenrollen zu überzeugen. Das Erzähltempo ist dem entsprechend hoch, wozu vor allem die Livemusik beiträgt, die das morbide Geschehen akkustisch überträgt: Das Karussell der Entwertung dreht sich permanent weiter, alles zerfällt – homo homini lupus est...

In dieser Situation trifft der mittellose Wolfgang Pagel (Ole Lagerpusch) auf seinen ehemaligen Vorgesetzten, Rittmeister von Prackwitz (Peter Jordan), von dem er sich überreden lässt, ihm auf dessen Landgut Neulohe als Verwalter beizustehen. Während die Dekadenz der Stadt den Zusammenbruch der alten Ordnung markiert, verspricht das Leben auf Neulohe zunächst eine Alternative. Fruchtbare Roggenfelder, liegen als ehrliche Arbeit vor ihnen. Die harte Währung muss quasi nur eingebracht werden. Aber auch hier setzen Spekulation und Zinspolitik ein, wodurch Prackwitz sein Ende in Bankrott und Wahnsinn findet. Pagel hingegen paradoxerweise bei sich und seiner Geliebten Petra Ledig (Meike Droste).

Andreas Wiebel